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Die Besonderheit der tibetischen Medizin lässt sich anhand mehrerer Aspekte beschreiben. Zum einen stellt sie so etwas wie die Synthese vieler anderer Systeme dar. In ihr begegnen sich die Einflüsse aller benachbarten Kulturen, der chinesischen, der indischen wie auch der griechisch-persisch-arabischen mit der eigenen uralten Tradition der Tibeter und der anderen ursprünglich nomadischen Völker Zentralasiens. So ist es auch nicht verwunderlich, dass eine Diagnosemethode hier eine grosse Rolle spielt, die in der chinesischen oder ayurvedischen Medizin nur in Ansätzen vorhanden ist: die Urinschau. (Dagegen war etwa in der mittelalterlichen Medizin Europas das Uringlas das Symbol des Arztes wie vielleicht in späteren Zeiten das Stethoskop.)
Zum anderen ist die Betonung geistiger Ursachen von Krankheit noch ausgeprägter als bei der chinesischen und ayurvedischen Medizin, ist ihre Praxis von ihrem spirituellen Hintergrund noch weniger ablösbar als bei diesen. (Das bedeutet aber auch: sie wird in wesentlichen Teilen nicht in der Öffentlichkeit gelehrt.) Charakteristisch dafür, als ein Feld, auf dem die oberflächlichen, gröbsten wie auch die feinsten Bereiche unserer Existenz erfasst werden, ist die manuelle Therapie der Tibeter, das Kunye. Diese umfasst in der Massage neben der Behandlung mit Steinen, Stöcken, Muscheln auch direkte Einwirkungen auf subtile Ebenen der Energie im Körper. Daneben kommen in ihr auch Methoden von Moxa und Akupunktur wie in der chinesischen Medizin vor. Ausserdem kennt die tibetische Medizin neben einer eigenen Kräuterheilkunde und Diätetik auch Bädertherapien und Ausleitungsverfahren wie im Ayurveda.
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